Blockchain als Chance für die öffentliche Verwaltung
Aussichten für das digitale Experiment in Zug
Die Stadt Zug ist das Zentrum des bekannten “Crypto Valleys”, in dem sich zahlreiche Blockchain Startups angesiedelt haben. Zug gilt in puncto öffentliche Verwaltung schweizweit als Vorreiter und innovativ. Wenn es nach ihrem Stadtpräsidenten Dolfi Müller geht, wird die Stadt bis Ende 2018 seinen Bürgern einen nachhaltigen Nutzen durch fortgeschrittene Digitalisierung schaffen.
In der Schweiz etablieren sich immer mehr Start-ups, die mit der Blockchain-Technologie experimentieren und ganze Industrien vermeintlich auf den Kopf zu stellen vermögen. Vielen Gründungen, die in dem sogenannten „Crypto Valley“ in Zug entstehen, gehen bereits weit über die Lancierung (Initial Coin Offering, ICO) und den Handel (Crypto Trading) mit einer Kryptowährung hinaus. Einen Impuls für diese Entwicklung liefert die Stadt Zug selbst: Sie bietet ihren Einwohnern seit kurzer Zeit eine Blockchainbasierte digitale Identität und hat bereits über 160 sogenannte E-IDs für alle Altersgruppen ausgestellt. Deloitte Schweiz hat sich mit Stadtpräsident Dolfi Müller getroffen, um die hiermit verbundenen Chancen und Entwicklungen zu besprechen.
„Nicht in der kulturellen DNA Europas“
2017 war für die Blockchain-Technologie ein Jahr von rasend wachsender Bekanntheit und zunehmender Experimentierfreude (schneller als es in den 90er Jahren mit dem Internet der Fall war)1. Vor allem Wirtschaftszweige mit vielen Mittelspersonen, in denen Vertrauen essenziell ist und viele Transaktionen stattfinden, sehen sich mit gewaltigen Umwälzungen konfrontiert.
Zug und sein Stadtpräsident Dolfi Müller bereiten sich auf diesen Wandel vor und wollen bis Ende 2018 mehrere Blockchainanwendungen entwickeln, die den Bürgern ihr tägliches Leben vereinfachen sollen. „Man kann Innovationen nicht durch einen umfangreichen Massnahmenkatalog vorantreiben, sondern muss den Nährboden bereiten, damit diese von selbst wachsen“, erklärt Müller. Begonnen hat alles im vergangenen Jahr mit der Ermöglichung des Bezahlens öffentlicher Dienstleistungen mit Bitcoin. „Ein Experiment wie die Annahme von Bitcoin für die Gebührenzahlung ohne Wenn und Aber zu starten steckt eigentlich nicht in der kulturellen DNA Europas“, erzählt Müller. Als Erfolgsfaktor in Zug verweist er auf ein gut funktionierendes Team im Stadtrat, welches nach einem Abstimmungsmisserfolg zu einem grossen Bauprojekt sich dafür entschied, Zug auf neue Art weiterzuentwickeln. Das Motto lautete: Intelligenz versus Beton.
Seit September steckt die Stadt nun in einer Pilotphase, in der Einwohner ihre digitale Identität eigenständig mithilfe einer App anmelden können. Das System basiert auf der Ethereum Blockchain. Wie Müller erläutert gibt es noch weitere Beispiele für potentielle Dienstleistungen der Stadt Zug, die man prüfen könnte, wie etwa ein einfacher Zugang zu allen elektronischen Behördendienstleistungen, ein Blockchaingestützter Fahrradverleih, ein digitalisiertes Parkierungs-Management sowie das Ausleihen von Büchern ohne Bibliotheksausweis. „Die Blockchain Clusterbildung hat in der Schweiz bereits stattgefunden und wird sich verstärken. Dies ist allerdings kein Grund, sich zurückzulehnen, da es internationale Konkurrenz von anderen Städten und Staaten gibt“, warnt Müller. Daher beabsichtigt die Stadt Zug im Frühling 2018 mit allen Inhabern einer digitalen Identität eine Umfrage als Konsultativabstimmung zu einem konkreten Thema durchzuführen. Dabei geht es darum, erste E-Voting-Erfahrungen zu sammeln2. Wie Müller unterstreicht, sei „eine selbstverwaltete, sichere und beglaubigte Identität für das Funktionieren einer immer stärker digitalisierten Gesellschaft unabdingbar."
Als Initialzündung für diese Erfolgsgeschichte habe sich laut Müller die offene und föderale Kultur in der Schweiz erwiesen. Vorteilhaft war auch Zugs einladende Haltung gegenüber Startups im Blockchainbereich, der auch durch das liberale Stiftungsrecht begünstigt wird. Schliesslich hat die Entstehung der Ethereum Foundation ebenfalls dazu beigetragen, dass es eine grosse Anzahl an Entwicklern und Unternehmen in den Grossraum Zug und Zürich zog.
Drei Beispiele wie Blockchain die öffentliche Verwaltung verbessern kann
Auch andere öffentliche Verwaltungen befassen sich intensiv mit Blockchain. Deloitte hat die folgenden Blockchain-Anwendungen als Kooperationskonzept mit Kunden entwickelt.
Eines der Projekte nennt sich EduSkrypt. Es handelt sich um eine Blockchainplattform für die Eintragung und Validierung von akademischen und professionellen Qualifikationen und Ausbildungen. Diese Anwendung wurde primär für Unternehmen entwickelt, die unter grossem Druck stehen, weil sie zum Beispiel regulatorische Vorschriften einhalten und Dokumente mit soliden Daten versehen müssen. Auch öffentliche Einrichtungen können von dieser Applikation im Bereich von Lizenzen, Registrierungen und Autorisierungen profitieren, bei der sich die Validierung der Authentizität als kostspielig und ineffizient erweist.
Smart ID nennt sich eine dezentrale Identitätsplattform die duplizierten Kundeninformationen ein Ende bereitet. Datensätze im öffentlichen Bereich sind schlecht integriert und Informationen sind oft veraltet. Die sich daraus ergebende Duplizierung von Daten führt zu Fehlern innerhalb von Prozessen und zur Verdoppelung von Aktivitäten. Smart ID ermöglicht Sicherheit und geringeren Zeitaufwand bei onboarding Prozessen von Individuen.
Manuelle und Papierbasierte Abstimmungen kämpfen mit Problemen, wie Transparenz, hohe Kosten und verzögerte Entscheidungsfindung. UVote ist eine Blockchainbasierte digitale Plattform, auf der die Wähler ihre Stimme online abgeben. Die Plattform unterstützt die meisten Abstimmungsszenarien, wobei sich der aktuelle Prototyp auf die Abstimmungen unter Unternehmens Aktionären konzentriert.
Sehr hohe Ersparnisse erwartet
Analysten erwarten, dass dank neuer Anwendungen mit Blockchaintechnologie jährlich 15 bis 20 Milliarden US Dollar Ersparnisse allein in der Finanzindustrie, der Versicherungsbranche und dem Gesundheitswesen erzielt werden können3. Infolge der Zunahme von Blockchainanwendungen und Experimenten in der ganzen Welt werden Regierungen zunehmend nach Möglichkeiten suchen, diese Technologie auch im öffentlichen Sektor stärker einzusetzen. Die Wirksamkeit von Blockchaintechnologie in der Bekämpfung von Korruption allein stellt eine mächtige Einsatzmöglichkeit dar. Wie sehr Politik und die öffentliche Verwaltungen aber tatsächlich bereit sind, im Sinne von Kostensenkung, Sicherheit und Transparenz in diese Richtung zu investieren, wird sich weisen. Zug und Dolfi Müller haben sich hierbei definitiv als Vorreiter erwiesen, die aufzeigen wie die gesamte Gesellschaft Blockchain als Chance begreifen kann, welche einen Nutzen für alle bringen kann. Deloitte ist ebenfalls Teil des Schweizer Blockchain-Ökosystems und unterstützt alle Akteure, welche Teil dieses technologischen Wandels sind. Dies gilt sowohl für Unternehmer bei der Gründung und Entwicklung von disruptiven Blockchainanwendungen sowie für private und öffentliche Institutionen, die den Durchbruch der Blockchain in ihrem Ökosystem als Vorreiter meistern wollen. Ermöglicht wird dies durch ein Zusammenspiel des 40-köpfigen Blockchain-Teams von Deloitte Schweiz mit den drei regionalen Centers of Excellence in Irland, USA und Hong Kong.
(1) HBR: https://hbr.org/2017/01/the-truth-about-blockchain
(2) Stadt Zug News: Blockchain-basierte digitale ID für alle Einwohner jetzt erhältlich
(3) Deloitte University Press: Will Blockchain transform the Public Sector? Blockchain basics for Government.
Comments
You can follow this conversation by subscribing to the comment feed for this post.
Verify your Comment
Previewing your Comment
This is only a preview. Your comment has not yet been posted.
As a final step before posting your comment, enter the letters and numbers you see in the image below. This prevents automated programs from posting comments.
Having trouble reading this image? View an alternate.
Posted by: |