Agile im öffentlichen Sektor
Im Kontext von Software-Ausschreibungen wird der öffentliche Sektor zunehmend mit der Agile Methodik konfrontiert. Der erste Kontakt mit Agile kann jedoch befremdlich wirken, da alteingesessene Strukturen in Form von Projektleitern und dem Wasserfallmodell mit neuen Konzepten wie Product Owner, Scrum Master und Product Backlog ersetzt werden.
Wie im Falle von Alistair Montgomery, einem IT Manager bei Transport for London (TfL), werden diese neuen Strukturen aufgrund fehlender Kenntnisse häufig mit Skepsis begegnet. Diese weicht oftmals erst, wenn die Agile Methodik in der Praxis ausprobiert werden kann. Obwohl Alistair anfänglich dem Agile Ansatz grundsätzlich abgeneigt war, konnte er sich innerhalb von zwei Wochen im Agile Umfeld nicht mehr vorstellen ins alte System zurückzukehren: „Das gesamte Team wurde in dieser Zeit zu Verfechtern von Agile. Es gab keine Hierarchien mehr – alle waren gleichberechtigt – und Fortschritte waren für uns schnell erkennbar“.
Das Beispiel von Alistair Montgomery zeigt, dass die Schlagwörter der Agile Methodik nicht nur leere Worthülsen sind, sondern repräsentativ für eine neue Art von Projektführung stehen – auch im öffentlichen Sektor.
Vertragsmanagement mit Agile
Klassische Beschaffungsverträge werden in einem vertrauensfreien Umfeld konzipiert und sollen dem öffentlichen Sektor grösstmögliche Sicherheit vor Betrug und Nichterfüllung seitens der Anbieter garantieren. Hierzu werden vom öffentlichen Sektor oftmals hohe Strafen bei Nichterfüllung verankert, was wiederum dazu führen kann, dass Anbieter nur das vertraglich festgehaltene Minimum liefern.
Die Agile Methodik ermöglicht in diesem Kontext eine neue Art der Vertragsverwaltung:
- Die enge Zusammenarbeit und die regelmässigen Produktvorführungen fördern den Vertrauensaufbau zwischen beiden Seiten und reduzieren die Risiken für den öffentlichen Sektor.
- Die Voraussetzung, dass nach jedem Sprint ein lieferbares Produkt bereitstehen muss, ermöglicht es Beschaffungsverträge zu stückeln und ggfs. den Lieferanten auch im Laufe eines Projektes zu wechseln. Somit wird der Anbieter angeregt eine durchwegs hohe Projektqualität zu liefern und mitunter auch einen Mehraufwand zu betreiben.
- Zwar würde ein Anbieterwechsel im Laufe eines Projektes nicht ohne Beeinträchtigungen ablaufen, doch wäre dies einer Zusammenarbeit mit einem zweitklassigen Anbieter über mehrere Jahre hinweg vorzuziehen.
Diese neue Form des Vertragsmanagements setzt zudem auch ein Umdenken bei Einkäufern voraus:
- Anstatt einmalig einen Auftrag zu vergeben, müssen Einkäufer Projekte nun begleiten und eng mit dem Projektteam zusammenarbeiten.
- Um eine vertrauensvolle und produktive Zusammenarbeit zwischen beiden Seiten sicherzustellen, sollten Einkäufer auf hohe Vertragsstrafen verzichten.
- Stattdessen sollten Verkäufer einen „Vertrauen und Kontrolle“ Ansatz verfolgen. Dies bedeutet, dass Einkäufer nahe am Puls des Projektes bleiben und somit die Risiken effektiver verwalten können und letztlich sicherstellen, dass öffentliche Gelder effektiv und effizient eingesetzt werden.
Um das Potenzial von Agile auszuschöpfen, sollten Mitarbeitende im öffentlichen Sektor die Methodik unvoreingenommen und mit der Bereitschaft etwas Neues zu lernen begegnen. Für Einkäufer wird es zudem elementarer, eine engere Zusammenarbeit mit den Lieferanten über die Projektdauer hinweg zu etablieren.
Comments
You can follow this conversation by subscribing to the comment feed for this post.
Verify your Comment
Previewing your Comment
This is only a preview. Your comment has not yet been posted.
As a final step before posting your comment, enter the letters and numbers you see in the image below. This prevents automated programs from posting comments.
Having trouble reading this image? View an alternate.
Posted by: |